Der Begriff Initial Coin Offering (ICO) lehnt sich an dem Terminus Initial Public Offering (IPO) an. Unter IPO versteht man einen Börsengang, bei dem Aktien aus dem Bestand von Altaktionären oder aus einer Kapitalerhöhung am Finanzmarkt angeboten werden. Während bei einer solchen Platzierung Firmenanteile verkauft werden, geht es bei einem ICO um den Verkauf von neu geschaffenen Tokens (digitale Wertmarken). Was das ist und wie es funktioniert erklären wir im Folgenden.
In erster Linie ermöglichen ICOs Start-ups, die auf der Blockchain-Technologie basieren, in der Frühphase schnell und unbürokratisch an Risikokapital zu kommen. Es hat sich zum Standard in der ICO-Szene entwickelt, dass Anbieter ihr Projekt und die Funktionsweise der angebotenen Tokens in einem sogenannten Whitepaper darstellen. Die Inhalte dieser Unterlagen sind im Unterschied zu den Prospekten einer Aktienemission weder gesetzlich vorgegeben noch von einer Finanzaufsichtsbehörde auf Vollständigkeit geprüft. Da das Aktienrecht auf ICOs keine Anwendung findet, müssen Tokens weder Eigentums- noch Informations-, Kontroll- und Stimmrechte enthalten. Der Anbieter kann frei entscheiden, welche Rechte oder Ansprüche er den Anlegern durch die Tokens einräumt.
Der große Vorteil von ICOs ist, dass die mit der Emission verbundenen Kosten und der bürokratische Aufwand im Vergleich zu einer Aktienemission verschwindend gering sind. Deshalb preisen Befürworter ICOs als das neue und unkomplizierte Finanzierungsinstrument für eine dezentrale und digitale Wirtschaft an. Enthusiasten sprechen sogar schon vom „Zeitalter der Tokenisierung“. Ein weiterer Vorteil von ICOs ist, dass junge Start-ups ohne Mittelsmänner, wie etwa Risikokapitalgeber oder Business Angels, Geld einsammeln können. So umgehen die Jungunternehmer die Abgabe von Anteilen oder Mitspracherechte durch Dritte und erreichen aufgrund des hohen Interesses an Start-ups eine große Anzahl an Investoren und Interessenten.
Token-Klassifizierung
Grundsätzlich kann man die emittierten Tokens in drei Kategorien klassifizieren. Die erste Kategorie besteht aus Kryptowährungen im engeren Sinne, wie Bitcoin, Monero und Zcash, die eine einzige Funktion besitzen: als digitales Zahlungsmittel zu fungieren. Diese Kryptowährungen besitzen eine eigene Blockchain beziehungsweise eine Blockchain-ähnliche Datenstruktur, um die sich ein Ökosystem aus Nodes, Minern (sofern der Konsens auf der Basis von Proof of Work gefunden wird), Entwicklern und regulären Usern bilden kann.
Die zweite Kategorie umfasst nutzenorientierte Tokens (Utility Tokens), deren Funktionen weit über die als digitales Zahlungsmittel hinausgehen. Seit der Einführung von Ethereum ist die Zahl an Utility Tokens stark gewachsen. Ethereum ist eine Blockchain-Lösung welche das Anlegen, Verwalten und Ausführen von dezentralen Programmen bzw. Smart Contracts anbietet. Damit sind die Voraussetzungen für vielfältige dezentrale Anwendungen (Distrubuted Applications, Dapps) geschaffen geworden. Klassische Beispiele für nutzenorientierte Tokens sind Filecoin, MaidSafe, Sia oder Storj. Diese vier Projekte sind gleichermaßen angetreten, um ein dezentralisiertes Cloud-System auf der Basis von freiem, ungenutztem Festplattenspeicher zu schaffen, der von einer Community beziehungsweise von Mitgliedern des Netzwerks zur Verfügung gestellt wird. Diejenigen, die Speicherkapazitäten zur Verfügung stellen, erhalten von den Nutzern eine Miete in den jeweiligen Tokens. Die Tokens lassen sich also direkt zum Bezahlen von Speicherplatz innerhalb der Dapp nutzen, können aber auch an den Kryptobörsen spekulativ gehandelt werden, in der Hoffnung, dass in Zukunft die Nachfrage nach den „Speicher-Tokens“ einmal so groß sein wird, dass potentielle Nutzer wesentlich höhere Preise dafür bezahlen.
Die dritte Kategorie kann unter dem Begriff Anlage-Tokens (Security Token, Asset-backed Tokens) zusammengefasst werden. Neben der Finanzierung des Projekts dienen diese Token dem Empfang von Gewinnausschüttungen oder der Abbildung von Werten, wie Edelmetalle, Wertpapiere, Immobilien oder Investments in andere Kryptowährungen. Diese Token haben in der Regel keinen funktionalen Zweck, sondern werden nach dem ICO ausschließlich für die Ausschüttung der Gewinne oder als Wertanlage benötigt. So hat zum Beispiel im März 2016 DigixGlobal seinen ICO durchgeführt und übertraf alle Erwartungen, indem es 5,5 Millionen innerhalb von 12 Stunden einnahm. Der Plan des Singapur-Startups ist, der digitale Marktplatz für Gold zu werden. Mit dem ausgegebenen DigixDAO Token soll laut Whitepaper der Besitzer Anspruch auf eine vierteljährliche Dividende haben, die auf Grundlage der Transaktionsgebühren berechnet wird. Die Transaktionsgebühren wiederum sollen durch den Handel mit einem zweiten Token, dem Digix Gold Token, erhoben werden. Der Gold-Token wird nach Angaben der Firma durch je ein Gramm Standard Gold nach Güteklasse der London Bullion Market Association (LMBA) gedeckt sein, das in sicheren Lagerhäusern physisch gehalten wird. Ein anderes Beispiel ist der BCAP-Token, der einem Anteil an dem Investmentfonds von Blockchain Capital entspricht. Das in San Francisco ansässige Unternehmen investiert mit dem eingesammelten Kapital aus dem ICO in Blockchain-Start-ups, Kryptowährungen und Tokens. Realisierte Gewinne werden in den Fonds reinvestiert, um den Nettoinventarwert (Net Asset Value, NAV) zu steigern. Ein weiteres Beispiel ist die ebenfalls in Singapur ansässige Firma TenX mit ihrem PAY-Token. TenX bietet seinen Kunden Debitkarten und eine Smartphone App für die Bezahlung mit Kryptowährungen und Tokens an und stellt dem Halter des Tokens in Aussicht, einen prozentualen Anteil an seinen Umsätzen zu erhalten.
Sicherheit
Investoren müssen sich vor dem ICO sehr genau informieren, wie die Ausschüttung der Gewinne beziehungsweise die Sicherstellung der hinterlegten Werte im jeweiligen Projekt implementiert ist. Gewinne können automatisiert über Smart Contracts in Form von Kryptowährungen ausgezahlt werden, reinvestiert werden oder indem das Angebot an Tokens durch ein Rückkaufprogramm verknappt wird. In der Regel können nur Experten anhand des zugrunde liegenden Programmiercodes (etwa des Smart Contracts) überprüfen, ob die im Whitepaper oder den Vertragsbedingungen angegebene Funktionsweise der jeweiligen Tokens zutrifft.
Hier gehts weiter zu: Risiken beim Investment in ICOs
Disclaimer:
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